.
POLONICA
Polnische Literatur in Deutschland 1990 - 2000

 

Die Freiheit des Wortes

Urszula Koziol: IM ZEICHEN DES FEUERS. Gedichte. Bd. 44 (N.F.) der Lyrikreihe "Das neueste Gedicht". Übersetzt von Henryk Bereska und Elisabeth Nowak. Zweisprachig polnisch-deutsch. Mit Illustrationen von Józef Halas. Heiderhoff-Verlag, Eisingen 1997.

Urszula Koziol (geb. 1931) gehört zu den bedeutendsten Lyrikerinnen Polens der Nachkriegszeit. In ihrer Dichtung stellt sie sich als Nachfolgerin von Tadeusz Rózewicz und Wislawa Szymborska vor. Aber als Vertreterin der nachfolgenden Generation ließ sie sich von anderen Themen beeinflussen. Nicht der zweite Weltkrieg wirkte sich auf ihre Persönlichkeit aus, sondern "die konfliktreichen Jahre, in denen sich unter schwierigen Bedingungen die Umwandlung Polens in einen sozialistischen Staat vollzog", so Karl Dedecius. Ihr schriftstellerischer Fleiß trägt bis heute zahlreiche Früchte in Form wichtiger Buchausgaben, sowohl in der Lyrik wie in der Prosa. Romane, Essays, Feuilletons, Dramen und Theaterstücke für Kinder gehören zu ihrem Gesamtwerk, auch wenn sie am stärksten mit der Dichtung identifiziert wird.
Ihr Werdegang war nicht einfach, denn als engagierte Autorin geriet sie im kommunistischen Polen oft in Konflikte mit den Machthabern. Vor allem ihre lyrischen Werke hatten darunter zu leiden; die Guillotine der Zensur war Urszula Koziol keineswegs fremd. Die Zensoren hatten auch allen Grund zur Sorge um die Stabilität der offiziellen Sprachregelung, wenn Autoren wie Urszula Koziol sich zu Wort meldeten. Schon mit ihrem ersten Gedichtband von 1957 wurde sie zu einer "neuen Stimme, energiegeladen und wortbewußt, gelegentlich - vor allem wenn es um staatlich verfügte Freiheitsbeschränkungen ging - rebellisch", lesen wir im Nachwort von Dagmar Nick. "Meine Beschäftigung ist ziemlich simpel / ich tilge die Tüpfelchen vom i", schrieb Urszula Koziol in dem Gedicht UNGEDULD von 1984. Es gehörte zu dem 1985 mit Druckverbot belegten BUCH DER KLAGE, das erst 1989 erscheinen konnte.
Zu diesem Band schreibt Dagmar Nick: "Unvergleichlich versteht sie es, luzide Poesie mit krasser Realität zu verflechten, beinah mühelos kommt sie von einer nicht hochgebundenden Blütenranke, die auf dem Boden verrottend keine Chance zur Entfaltung hat, auf die Tagespolitik, als läge nichts näher." Erst seit 1990 kann Urszula Koziol frei über ihr Dichten entscheiden: "Meine Freiheit ist das Wort, das ich verschweige / oder auf einen Papierfetzen schreibe / um es zu schenken", schreibt sie in dem Gedicht ANDERS GESAGT.

Natürlich ist die Autorin auch an anderen Inhalten interessiert, die für jeden Dichter von Bedeutung sind. Das Thema Liebe greift sie aber nicht oft auf, und wenn, dann auf nicht-eindeutige Weise. Das folgende kurze Gedicht kann man durchaus auch auf andere Sachverhalte beziehen: "Nicht nur ich / sondern auch du sollst / für uns die Augen offen halten // mein Schwerkraftmittelpunkt / - der statische Kern - / ist nicht mehr in mir // er ist in dir."
Die Natur übt auf die Dichterin eine große Anziehungskraft aus: "Einzeln klettern / Triebe (Pflanzenstimmen) / spiralförmig / mächtig bohrend / klettern / hoch hinaus / Halt suchend / immer höher. ..." Neben dieser BESCHREIBUNG EINER KLETTERPFLANZE findet sich die fast andächtige Beobachtung eines winzigen Lebewesens: "... Du wunderschöne kleine Raupe / Partikel / der Farbe der mir gerade geschenkten Weile /.../ Alles was außer Dem ist - / wie nichtig".
Vielleicht läßt sich die Autorin von den Kräften der Natur auch inspirieren, um daraus Kraft für ihre Gegenwehr gegen das Vergehen der Zeit zu schöpfen? Denn das Thema ‚Alter' gewinnt in ihrer Dichtung zunehmend an Bedeutung. Während sie sich in einem der Texte gegen die Vergänglichkeit der Zeit noch sträubt: "Seit einiger Zeit / wandert auf Wolkenbuckeln / eine alte Dame auf mich zu. /.../ Unter der Haut fühle ich in mir / noch immer das junge Mädchen", sieht sie in ihrem Gedicht ETRUSKER eine fast metaphysische Versöhnung mit dem sich langsam nähernden Tod: "... Sich wie sie / auf den Ellbogen stützen können / nachdenklichen Blicks / die Ewigkeit öffnen / und erhobenen Hauptes / eintreten / in hieratische Räume / als befänden sich diese nicht schon drüben."
Urszula Koziol ist zweifellos eine der interessantesten polnischen Lyrikerinnen. Dies hat auch die Herausgeberin Roswitha Heiderhoff erkannt und ihr einen besonders schönen Gedichtband gewidmet.
Er ist in den Sprachen Polnisch und Deutsch erschienen, mit Übertragungen von Henryk Bereska, einem der wichtigsten Übersetzer polnischer Literatur, und Elisabeth Sikorski-Nowak. Bereichert wird der Band durch vier Illustrationen des polnischen Künstlers Józef Halas. "Das Hauptmerkmal seiner Bilder ist die Verbindung von zwei Elementen: der lyrischen Stimmung und der intellektuellen Reflexion", schreibt Dagmar Nick, die die Gedichte für diese Ausgabe ausgewählt hat. Tatsächlich scheinen die Illustrationen sich an den poetischen Bildern der Dichterin zu orientieren. Eine von ihnen trägt den Titel DIE WICHTIGSTEN WÖRTER und korrespondiert genau zur ausgewogenen Sprache Urszula Koziols.

 

 

 

Urszula Koziol
"Im Zeichen des Feuers"


Das Buch ist nicht mehr lieferbar

 

 

 

Zurück zur Liste