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POLONICA
Polnische Literatur in Deutschland 1990 - 2000

 

Die Reisen eines Aufklärers.

Ryszard Kapuscinski: AFRIKANISCHES FIEBER. [Heban]. Literarische Reportagen. Übersetzt von Martin Pollack. Eichborn-Verlag, Frankfurt/M. 1999.

Der in Polen und Deutschland gleichermaßen gefeierte und mit wichtigen Preisen bedachte Schriftsteller Ryszard Kapuscinski (geb. 1932) stammt ähnlich wie Gustaw Herling aus den ehemaligen Ostgebieten Polens, die seit dem Ende des zweiten Weltkriegs zu Weißrussland gehören. Er bereiste nach Stalins Tod und nach der Wende 1989 die gesamte Sowjetunion und hielt seine Eindrücke in dem Bestseller IMPERIUM mit dem Untertitel SOWJETISCHE STREIFZÜGE (1993) fest.
Zahlreiche Werke waren diesem Erfolgsbuch vorausgegangen, viele folgten ihm. Der Journalist Kapuscinski mutierte zu einem der begnadetsten und faszinierendsten Schriftsteller Polens. Er hält sich an die Wahrheit, erzählt sie aber auf eine Art und Weise, die jedem unter die Haut geht. Nach der Lektüre seiner Bücher ist der Leser klüger, weil ihm bedeutsame Tatsachen nicht oberflächlich, sondern tiefgründig - quasi bis aufs Knochenmark - aufgezeigt wurden.
In einem weiteren großartigen Werk, das unlängst in Polen von Tausenden von Lesern verschlungen wurde, führt uns der Autor ins Innere (auch im übertragenen Sinn) des Schwarzen Kontinents. Schon die ersten Seiten des Buchs AFRIKANISCHES FIEBER (HEBAN im polnischen Original) enthüllen Kapuscinskis Talent, mit dem Mittel der Sprache die heutige Welt und ihre Probleme dem Leser nahezubringen. Mit weit geöffneten Augen reist er durch den Kontinent und läßt sich von uns begleiten. Eines wird dabei deutlich: dieser Mensch versteht Afrika. Er zeigt das Wesen des Kontinents und die Eigenart seiner Bewohner auf eine Art und Weise, die uns die Augen öffnet, verstehen läßt und uns hilft, Vorurteile loszuwerden. Kapuscinski schafft Klarheit, ohne die Protagonisten seiner Reportagen ihrer Faszination zu berauben oder ihre Geheimnisse bloßzulegen. Seine Beschreibungen sind voller Poesie und Sinnlichkeit: "Immer wieder hält unser Autobus am Straßenrand, weil jemand aussteigen möchte. Wenn eine junge Frau mit einem oder zwei Kindern aussteigt ..., bekommen wir eine Szene voll Anmut und Grazie geboten. Zuerst bindet sich die Frau mit einem Tuch aus Kattun den Säugling auf den Rücken .... Dann kniet sie nieder und hebt ihren unerläßlichen Topf oder die Schüssel voll Essen oder anderen Waren auf den Kopf. Nun richtet sie sich auf und macht mit dem Körper eine Bewegung wie ein Seiltänzer, der den ersten Schritt auf dem Seil über den Abgrund tut: Sie balanciert und erlangt so das Gleichgewicht."
Kapuscinski wird der reinen Reportage aber nicht nur mit seinen Expeditionen ins Reich der Poesie untreu, sondern experimentiert auch gern mit verschiedenen Formen. Ein Beispiel dafür ist sein Buch KÖNIG DER KÖNIGE, eine gelungene Parodie auf Haile Selassie, den früheren Kaiser von Äthiopien. Drei literarische Formen hat der Autor hier zu einem Text ohne Vorbild verschmolzen: den Roman, die politische Reportage und die Allegorie.

 

 

 

 

Ryszard Kapuscinski
"Afrikanisches Fieber"


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